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Schullandheim Cluvenhagen "Am weißen Berge"

veröffentlicht im "Heimatkalender für den Landkreis Verden 2013" S. 51-61

Im Flecken Langwedel ist von den ursprünglich drei Landheimen nur noch das Schullandheim "Am weißen Berg" in Cluvenhagen in Betrieb. Das liegt mit seinem rund 15.300 qm großen Gelände inmitten des am 5.6.1937 vom Verdener Landrat festgelegten Landschaftsschutzgebietes Nr. 14 "Weiße Berge" an einem Arm der "Alten Aller".

Bei meinen Nachforschungen nach den Anfängen des Schullandheimes hat mir Dagmar Fahrenholz, geb. Wilkens (aus Cluvenhagen gebürtig) sehr geholfen, denn sie stellte mir einen Originalpachtvertrag vom 23.11.1924 zur Verfügung. In dem notariell beurkundeten Vertrag verpachtet der Gutsbesitzer Hinrich Wilkens in Lessel, Gemeinde Cluvenhagen an den "Bund der Eltern und Freunde der Versuchsschule an der Stader Strasse in Bremen e.V." eine Fläche von 1,5 Hektar (15.000 qm) für jährlich 50,- Goldmark, erstmalig fällig am 31.12.1925. Nach dem Pachtvertrag ist der Verein ("Bund" genannt) berechtigt, "auf dem Grundstück ein Landheim zu errichten, das dem Landaufenthalt für die Kinder der Versuchsschule, deren Eltern und Lehrern dienen soll."

Anschließend hat der Schulverein nach und nach die Flächen aufgekauft. Der erste notarielle Grunderwerbsvertrag datiert vom 27.6.1927 über 0,50 ar (= 2 Morgen = 5.000 qm) zu einem Kaufpreis von 2.000 Reichsmark, die "baldmöglichst bezahlt werden" sollten. In den Unterlagen des Verdener Kreisarchivs habe ich den (ersten) Bauantrag vom 5.2.1925 an den Herrn Landrat in Achim zur "Aufstellung einer doppelwandigen Baracke als Landheim der Versuchsschule Stader Straße" gefunden. Schon am 9.3.1925 genehmigte der Landrat gegen eine Gebühr von 114,-- Reichsmark das Aufstellen des Gebäudes mit zwei Auflagen: Unterlagen für das Abortgebäude (Toilette) seien nachzureichen und die Außenflächen des (Holz-) Gebäudes seien farbig zu streichen, so dass es ein freundliches Aussehen erhalte. Der Bauzeichnung ist zu entnehmen, dass das Hauptgebäude (mit zwei Klassenzimmern, einem Lagerraum und 10 Schlafräumen) eine Länge von 42 Metern und eine Breite von 12 Metern hatte. Der Küchenanbau in Massivbauweise Maß 8 x 8 Meter. Bei dem Gebäude handelte es sich um eine ehemalige Lazarettbaracke aus einem Militärlager bei Celle, die der Schulförderverein Ende 1924 für 3.000 Mark - auf Ratenzahlung - vom Reichsbauamt Hannover erworben hatte.

Ab Febr. 1925 liefen in Langwedel die ersten Bahnwaggons mit dem Holz der zerlegten Baracke ein. Dazu kamen 10.000 kostenlose Steine (für Küche und Waschraum) aus Bremen.

"Auf Lastautos ratterten Kinder und Lehrer hinaus, luden auf und ab und am 1. März 1925 bei lachend-fröhlichem Sonnenschein trugen wir - das sind Väter, Mütter, Burschen, Mädchen, Schüler und Lehrer die Holzlasten den steilen Berg hinunter, viele Meter weit bis ans Wasser".... so berichtet die Bremer Volkszeitung in ihrer Ausgabe Nr. 202 am Montag, 31. August 1925.

In den folgenden sechs Monaten wurde, überwiegend durch sonntägliche Eigenarbeit von rd. 100 Helferinnen und Helfern, das Schullandheim errichtet. Der "Elternbund" hatte damals rund 400 Mitglieder, bei 450 Schülern.

historische Ansicht

Das obige Bild zeigt das Heim an der Alten Aller kurz nach der Fertigstellung 1925.

Am Sonntag, dem 6. Sept. 1925, so berichtet die vorerwähnte "Bremer Volkszeitung" weiter, wurde die offizielle Einweihung gefeiert. Mehrere Sonderzüge brachten weit über tausend Menschen vom Bahnhof Sebaldsbrück nach Etelsen, wie es in der Festschrift des Bundes der Eltern und Freunde des Schullandheimes zum 70-jährigen Bestehen des Landheimes im Sept. 1995 (mit einem Grußwort des damaligen Bildungssenators Dr. Henning Scherf) nachzulesen ist. Dieses Heim mit 80 Betten sei etwas Einmaliges, weil es das gemeinsame Werk der Elternschaft, der Lehrer und der Kinder der achtklassigen Versuchsschule an der Stader Straße sei. Die Bremer Schulkinder sollten hier zweimal jährlich vier Wochen körperliche Erholung und geistige Anregung erleben. Noch wichtiger sei, dass sie draußen in Cluvenhagen miteinander auskommen müssen, wie Geschwister einer Familie. Das vollendete Werk sei auch ein zukunftsreicher Anfang, wird aus der Eröffnungsrede des Schulleiters Fritz Heege berichtet.

In der vorerwähnten Jubiläums-Festschrift ist auch ein bemerkenswertes Foto enthalten, es zeigt "Eine Bootsfahrt auf der Alten Aller mit den Heimleiterinnen Fräulein Schüßler und Fräulein Gruhlke um 1930."

Beim Nachlesen in der von Ulrike Wehmeyer verfassten Chronik "Waldheim Cluvenhagen" (1932- 2002) sind mir Helene Grulke und Lina Schüßler wiederbegegnet. Auf Seite 15 dieser Chronik ist ein handschriftlicher Lebenslauf der Damen abgedruckt, der besagt, dass die beiden gemeinsam acht Jahre "die Verwaltung des Schullandheimes verrichtet haben", (wohl von 1927-1935) für ein bescheidenes Gehalt von 50,-- Mark. In den sechs Monaten, in denen das Schullandheim nicht belegt war, nahmen sie dort "erholungsbedürftige, körperbehinderte und teils auch schwachsinnige Kinder" in Pflege und verdienten sich Anfang der 1930-ger Jahre etwas hinzu.

Die Wiege des heutigen Waldheimes stand also an der Alten Aller im Schullandheim.

Aus den Vermessungsakten des Katasteramtes Verden ist zu entnehmen, dass im September 1925 das Schullandheimgebäude in mehrtägiger Arbeit eingemessen wurde. Zu dieser Zeit hatte die Gemeinde Cluvenhagen nach der Zählung von 1926 in 95 Familien zusammen 454 Einwohner.

Die Anreise zum Landheim erfolgte anfangs über den Etelser Bahnhof, dann wurden die restl. 5 km nach Cluvenhagen gewandert. Ab den 1960-ger Jahren geschah die Anreise mit Bahn- oder Reisebussen.

In der schon genannten Festschrift fand ich das folgende Foto, das den damaligen Zeitgeist anschaulich dokumentiert. Es zeigt den einzigen Waschraum( 8,00 Meter Länge und 2,50 Meter Breite) des Schullandheimes im Jahre 1925 mit Waschschüsseln links und rechts und im Hintergrund links eine (Kaltwasser)-Schwengelpumpe. Solche einfachsten Sanitäreinrichtungen ( ohne Warmwasser und Duschen) sind heute, fast 90 Jahre später, für Jugendund Landheime nicht mehr denkbar.

In den Archiv-Unterlagen des Verdener Kreisbauamtes sichtete ich eine Baugenehmigung vom 18. Dez.1934 (Bauschein Nr. XXI/712) für die Errichtung eines Küchenschornsteines. 1941 wurde im Tagesraum und in den Waschräumen eine Heizung eingebaut, um ganzjährigen Betrieb zu ermöglichen. 1964 wurden eine Zentralheizung und eine Toilettenanlage mit Kleinkläranlage genehmigt. Für 1977 liegt eine Bauerlaubnis zum Umbau des Landheimes mit Eintragung einer Zuwegungs-Baulast durch das "Lesseler Holz" (Privatwald des Cluvenhagener Bauern Wilkens) vor. Hier handelte es sich um den Umbau der Holzbaracke in ein Steinhaus mit Beibehaltung des Daches. Von 1987-2007 erfolgten weitere Bau- und Sanierungsarbeiten, z.B. Aufbau eines Grasdaches, Küchenumbauten und Baumaßnahmen im Sanitärbereich.

Die Bremer "Versuchsschule an der Stader Straße" ist zum Schuljahresbeginn 1921 unter Rektor Max Rausch als Volksschule gegründet worden. Lehrer und Eltern wollten für die Kinder im Zuge der Reformpädagogik die Chancen verbessern und soziale Kompetenzen stärken. Diesem Ziel diente auch das Cluvenhagener Landheim, um eine ganzheitliche und soziale Erziehung verwirklichen zu können. Zu beobachten ist hier besonders, dass in hohem Maße Eltern und Lehrerkollegium (bis heute) eng zusammen arbeiteten und deshalb im Sept. 1924 auch einen "Elternbund" als Schulförderverein gründeten, der juristisch grundbuchlicher Eigentümer des Landheimes war und ist.

War das Schullandheim ursprünglich fast ausschließlich 6 Monate im Sommer von Klassen der Schule Stader Str. benutzt, so war der "Elternbund" ab 1980 doch gezwungen, das Heim ganzjährig auch anderen Nutzern anzubieten.
Der Jubiläumsfestschrift von 1995 ist zu entnehmen, dass in der (Kriegs-) Zeit von 1941 bis 1949 von schulischen "Aussendungen" abgesehen wurde. Ab 1949 fanden wieder zehntägige Landheimaufenthalte der Schüler statt.

Mit jetzt 60 Betten, 4 Begleiterzimmern, 2 Tagesräumen, mehreren Kajaks und Ruderbooten, Grillhütte, sportlichen Angeboten und guter technischer Ausstattung ist dieses Heim für eine Vielzahl von Schulklassen, Jugend- und Musikgruppen interessant, die das idyllische Landheim mitten im Wald und am Wasser als ihre Unterkunft nutzen. Das auch im Internet präsente Schullandheim Cluvenhagen (www.schullandheim-am-weissen-berge.de) ist nach Aussagen des jetzigen Vorsitzenden des Fördervereins, Dipl. Ing. Christoph Theiling aus Bremen, rund um das Jahr, vor allem in den Sommermonaten, fast vollständig ausgebucht.

Mit rund 7500 jährlichen Übernachtungen wird das Heim auch in der Touristikwirtschaft des Fleckens Langwedel durchaus bemerkt, denn die zahlreichen Schüler und Gäste lassen einen Teil ihres Geldes vor Ort.

Gerd Brandt, im Nov. 2011